Donnerstag, 15. Oktober 2015

Nach dem Arbeiten kochen Oder: Grundregeln Fertigprodukte

Auf der Suche nach einem Rezept, irgendwo in den Tiefen des Internets, habe ich letzthin diesen englischen Spruch entdeckt: 'OK. I Lied. It Sucks to Cook after Work.'*

Und musste unwillkürlich grinsen. 
Nicht nur wer diesen Blog regelmäßig liest, auch  "Offline-Freunde" bekommen manchmal vielleicht den Eindruck, bei uns gibt es ausschließlich selbst gemacht / genial durchdacht / mit Liebe gekocht. Und sind dann ganz überrascht, dass ich auch aus eigener Erfahrung weiß, dass das neue "Rustipani" ganz lecker ist. 

Schön wärs, wenn wir jeden Tag die Zeit und Kraft hätten, jede Mahlzeit mit so viel Respekt und Aufwand zu begleiten, wie es die Rezepte hier oder unsere Essenseinladungen vielleicht vermuten lassen. Haben wir aber nicht.
Der kleine Mann geht jetzt in den Kindergarten und ich arbeite drei Tage die Woche bis zum frühen Nachmittag. Bis ich den kleinen Mann dann wieder eingesammelt habe, die Reste vom Frühstück weggeräumt, mit dem Junior übers Fernsehen/Süßigkeitenessen debattiert (und verloren) habe, die Spülmaschine eingeräumt und ... Halt, das ist jetzt genau die Detail-Jammerei, die fast alle Mütter kennen und die ich vermeiden wollte. Kommando zurück.

Kurz gesagt: Es gibt Tage, da ist Kochen der berühmte "Ausgleich" und die "Entspannung" (5 EURO ins Interview-Antworten-Phrasenschwein...). Aber es gibt andere, da hätte ich am liebsten, dass sich eine Klappe über mir auftut, und einfach nur "was zu Essen" rausfällt, ohne dass ich dafür mit jemanden reden, die Tür öffnen oder auch nur nachdenken musste.

Klar, wäre meine Wunschvorstellung, dass wir uns IMMER optimal ernähren, dass wir gesund und abwechslungsreich essen, dass wir Spaß dabei haben und dazu noch Zeit, immer wieder Neues auszuprobieren. Dass ich immer aus freien Stücken, ganz bewusst entscheiden könnte: "Ha, Ausnahme. Heute gibt es Tiefkühl-Pizza vor dem Fernseher." Statt "Oh Mann," *schulternhängenlass* "dann gibt es halt Pizza", weil ich heute einfach - nicht - mehr - schaffe. *gääähn*

Andererseits ist mir bewusst, dass das ganz schön viel gewollt ist wenn man eben nicht das 50er-Jahre Familie/Haushalt-Leben lebt. Also versuche ich mal, ganz achtsam, mehr Verständnis für mich selbst zu haben. Und es auch mal gut zu finden, was und wie viel ich schaffe.

Bevor ich allerdings in alte Fertigprodukte-Fallen tappe (ich hab ja auch schon ordentlich dagegen gewettert...), konzentrieren wir uns mal auf folgende Grundregeln zum Thema Fertigprodukte (im Folgenden "FP"), auf die der Koch und ich uns einigen können:
  • Nutze deinen Verstand - je kürzer die Zutatenliste eines FP, desto besser - Wenn ich dieses Produkt zuhause kochen/backen würde, welche Zutaten bräuchte ich? Hier sind aber noch viel mehr Zusatzstoffe drin, deren Namen ich nicht mal aussprechen kann? Finger weg!
  • Schnell schlecht ist gut - wenn ein FP im Supermarkt gekühlt wird und nur wenige Tage haltbar ist, spricht das dafür, dass wenig oder keine Konservierungsstoffe beigesetzt sind und deshalb auch nicht so viele Vitamine zerstört wurden wie in ungekühlten, haltbar gemachten Alternativen. 
  • Ungefähr wissen, was wofür gut ist - es gibt Fertig-Tomatensoße, da sind nur "normale" Zutaten drin plus Reisstärke - die sorgt für eine etwas dickere Soße, und damit kann ich leben. Auch wenn das bedeutet, dass möglichst viel billiges Wasser und möglichst wenig "teure" Tomaten drin sind.
  • Aus flüssig mach lieber nicht trocken - um eine Tüte mit trockenem Fix-Gericht inkl. Ei, Milch und Fleisch herzustellen, muss man in der Fabrik sehr viel arbeiten. Heißt, der Hersteller verwendet erst recht möglichst günstige Zutaten von geringer Qualität (ist ja später eh kaum mehr erkennbar), und hebt den Geschmack meist durch (billiges) Fett, Zucker und/oder Salz und ev. Glutamat/Hefeextrakt. Den Aufwand zahlt der Käufer natürlich trotzdem mit. Wenn ich einer Backmischung nur noch Wasser hinzufügen muss, ist vom Guten der ursprünglich enthaltenen Grundprodukte wie Milch, Butter und Eiern nicht mehr viel übrig.
  • Einmal hin, alles drin? - Jetzt mal ehrlich: ungekühlte Fertigmenüs, in denen Fleisch, Soße, Gemüse und Sättigungsbeilage enthalten sind, die ich mir gleichzeitig erwärme, sind nährstofftechnisch Mist. Und geschmacklich sowieso.
  • Die Reihenfolge ist kein Zufall - Zutaten werden in der Menge aufgelistet, in der sie im Produkt vorkommen. Man kann daraus die eigenen Schlüsse ziehen: Mango-Maracuja-Smoothie? Höchstens zu 20 %, der Rest ist Apfel. Möchte ich, dass der Junior "Babykekse" mit Zucker an zweiter Stelle isst? 
  • Viel Geld für Nichts - Ja, manche Fertig-Eis-Sorten haben eine erfreulich kurze Zutatenliste. Aber 510 g Eis in einer 1.000 ml-Packung? Normalerweise kann man bei Flüssigkeiten ml und g so ziemlich gleichsetzen. Ergo: fast die Hälfte ist Luft! Das macht nur die Industrie. Zuhause bekommt man ein cremiges Eis auch mit wesentlich weniger Luft (durch Rühren in der Eismaschine) hin. Und das besteht dazu noch wirklich aus Sahne und/oder Milch und nicht nur aus Wasser und billigem Pflanzenfett.
  • Nutze die systemischen Vorteile der Industrie - Dosentomaten werden vollreif geernet und dann konserviert - optimal für alle Gerichte mit lange gegarten Tomaten wie Soßen und Schmorgerichte. Genauso bei sog. "Monoprodukten" wie Tiefkühlgemüse (ohne Soße), -Obst (ohne Zucker) und -Kräutern: feldfrisch eingefroren halten sie lange und kommen frischer und vitaminreicher auf den Teller als nach langen Transportwegen in den Supermarkt. Das Gleiche gilt für Fisch, der seegefrostet ist - frischer geht nicht.
  • Nutze die Verfahren der Industrie - Getreide kann in der Fabrik sehr schonend vorgegart werden. Wenn es schnell gehen muss, sind im FP also ev. mehr Vitamine etc. erhalten, als im aufgewärmten Reis von vorgestern. Obst kann man im Backofen selbst trocknen - das frisst aber wesentlich mehr Energie als die Herstellung von Trockenfrüchten im großen industriellen Stil. (Allerdings setzt die Industrie häufig Schwefel bei, um die ansprechende Farbe zu erhalten.)
  • Die können das besser als ich - Manche Produkte bekommt man für einen attraktiven Preis im Supermarkt - und müsste sehr hohen Aufwand betreiben, um das Produkt in ähnlicher Qualität selbst herzustellen. Beste Beispiele: Strudelteig und Blätterteig.  
  • Ich weiß, was drin ist – Der Bäcker benutzt heute leider auch oft Backmischungen oder backt nur noch Teiglinge auf. Ich sehe aber auf der Bäckertüte nicht, was genau drin ist – auf abgepackten Backwaren aber schon. Für die, die eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, z.B. ein Problem mit Laktose haben, ein großer Vorteil.

Ansonsten machen wir jetzt abends wieder öfter Brot. Also essen. Sprachliche Ungenauigkeit. Könnte jetzt wieder dazu führen, dass man glaubt, wir backen nach der Arbeit noch Brot... 
Wobei: Schlimm, dass ich jetzt schon wieder überlege, wie ich das Thema Abendbrot aufpeppen könnte...


Quellen: Eine ganz nützliche Übersicht hat auch eine Ernährungswissenschaftlerin der Uni Münster für den Stern erstellt, Artikel Nach dem Arbeiten kochen  
* Nein, das bedeutet nichts Versautes. :-)

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