Sonntag, 25. Oktober 2015

Der Kindergarten-Blues

Ich muss jetzt mal abk*tzen. Ich find grad alles blöd.
Als ob es nicht reicht, dass uns natürlich mal wieder die Viren besuchen, nachdem das stramme Programm der letzten Monate rum ist und gerade mal einfach nur Alltag wäre.
Nein, selbst nach zwei langweiligen Krank-Tagen zuhause, wenn der kleine Mann sich wieder so richtig auf den Kindergarten freut, gibt es beim Abschied Tränen. Und den Tag danach auch. Und den danach auch.

Als ich Freundinnen von der Eingewöhnung erzählt habe, kam ein gut gemeintes: "Och, ja, klar, da blutet das Mutterherz." In mir hat sich sofort alles gesträubt. Bei solchen Sätzen fühle ich mich irgendwie sofort wie eine verweichlichte Über-Mutti, die ihre Gefühle nicht im Griff hat. Ich wollte sagen: "Nein, das hat damit überhaupt nichts zu tun!" Aber das stimmt nicht. 
Natürlich blutet da das Mutterherz. Das Vaterherz aber übrigens auch. (Das "durften" wir letzte Woche live erfahren. Als ich dem Koch gesagt habe, dass es so schlimm noch nie war - mit Weinen, Strampeln und Festhalten - da hat er geguckt wie ein getretener Hund...) Also ja, das Elternherz blutet.
Es ist einfach keine schöne Erfahrung, einen kleinen Menschen, der dir vertraut, der dir jeden Tag zeigt, dass er dich (noch) so sehr braucht, weinend zurückzulassen. Ihm den Rücken zuzukehren und zu gehen. Nein, mich lässt das nicht kalt.

Der Junior hat beim Abholen schon oft zu mir gesagt: "Die Traurigkeit war ganz schnell weg." An solchen Tagen, an denen er morgens gar nicht wollte, dass ich gehe. Die Erzieherinnen bestätigen mir, dass es sich sofort legt, wenn ich weg bin. Dass er den ganzen Tag über fröhlich mitmacht und spielt. Noch nie kam der befürchtete "Sie müssen ihr Kind abholen"-Anruf. Und ich glaube auch nicht, dass er noch kommt.
Ich weiß das. Mein Verstand sagt mir: 'Es ist alles gut. Das sind keine tief verletzenden Erlebnisse für ihn. Das ist eine Trennung, mit der er klar kommt, die ihn stärker macht. Die ihm zeigt, dass es ihm auch ohne Eltern gut gehen kann.'
Trotzdem ist es kein schönes Gefühl. Trotzdem wünscht sich jeder, das Kind ruft "Tschüss, Mama!" und geht fröhlich in die Gruppe. Das wünscht mein Herz.

Die Wahrheit ist zugleich: Ich bin auch mal froh, wenn wir nicht zusammen sind. Die Trennung tut auch mir gut. Himmel, wir würden uns mächtig auf den Zeiger gehen, wenn wir 24/7 aufeinander hocken würden!
Aber der kleine Mann, der hat gerade eine Phase, in der er den Eindruck macht, dass genau das seine Wunschvorstellung wäre. Auch zuhause hängt er mir regelmäßig im wahrsten Sinne des Wortes am Rockzipfel. Und nicht nur mir. Als wir jetzt beide krank zuhause lagen, ist er alle paar Minuten zur Uhr gelaufen, um zu schauen, ob der kleine Zeiger schon da steht "wo der Papa nachhause kommt."

In einer solchen Phase der Anhänglichkeit finde ich es verdammt schwer. Das Gleichgewicht zu finden, zwischen loslassen und da bleiben. Zwischen 'Das ist nun mal die Realität' und kindliche Bedürfnisse voll erfüllen. Es durchzusetzen, das 'Ich muss gehen und du musst hier bleiben', ohne ihn zu verletzen. Aber letztendlich ist Familie genau das für mich: ein Gleichgewicht finden, in dem es allen möglichst gut geht
Ich wäre nicht glücklich, wenn ich den kleinen Mann rund um die Uhr um mich hätte. Und das ist okay so. Meine Bedürfnisse zählen auch. Ich glaube aber ebenso, der Junior wäre es auch nicht dauerhaft. Also versuche ich jetzt, in dieser Phase, möglichst viel Anhäng-Bedürfnis zu erfüllen. Aber die Grund-Parameter bleiben. Kindergarten ist ein Dauerlauf, kein Sprint.

Derweil mache ich was, ich verkopfter Mensch? Nochmal nachdenken: Vielleicht bin ich ja auch diejenige, die ihm Unsicherheit vermittelt.
Bin ich unsicher? Was macht mich unsicher? 
Hand aufs Herz - ich bin mir nicht sicher, wie liebevoll der Umgang so ist, in einer Gruppe mit 20 Kindern. Die Gruppe vorher war mit max. 10 Kindern, alle zwischen zwei und drei, dagegen das Paradies. Ja, wir haben ihn aus dem Paradies vertrieben, so fühlt es sich an. Sätze wie "Mama, ich möchte wieder in die Kindergruppe [= Kita]. Zu meinen Kindern," die tun einfach weh. 

Ich glaube, das ist der Kern der Sache: Ich habe Mit-Leid. Es tut mir leid, dass er jetzt wieder der Kleine ist, über den sich die Großen auch mal lustig machen. Tief in mir drin ist die Erinnerung anscheinend fest drin: die Gruppendynamik, das ausgelacht und schräg angeguckt werden, wenn man etwas anders macht, sagt oder denkt. (Der Junior hat mir tief beeindruckt erzählt, dass sie im Chor "Bääääh!" gerufen haben, weil er getrocknete Aprikosen in der Frühstücksbox hatte.) Wie unsicher man sich da manchmal fühlt, sich am liebsten in Luft auflösen möchte. Wie weh das tut, wenn die anderen dich einmal wegschicken, nicht mit dir spielen wollen.

Auch da: Ich weiß, das ist ganz normal. Wenn er in einer Großfamilie mit vielen Geschwistern und älteren Cousins etc. aufgewachsen wäre, dann hätte er das schon längst erlebt. Das hätte ich ihm ja auch nicht erspart. Es ist nun mal ein Phänomen unser Zeit, dass die meisten Kinder solche Erfahrungen in altersgemischten Gruppen erst im Kindergarten machen. Und das ist dann halt erstmal ein Brett. Für den einen mehr, für den anderen weniger.
"Mama, mir fehlt was," hat er gestern abend im Bett gesagt. "Was denn?" "Mir fehlt ein Freund." Pause. "Ich bin so allein." 
Auf solche Sätze bereitet dich niemand vor. Das schlägt voll ein. Auch wenn ich ihn an all die Freunde erinnert habe, die er schon hat. Und wir beschlossen haben, die bald mal wieder einzuladen. Aber ich glaube, ich weiß, was er meint.

Wo ich jetzt den Satz in der Einleitung nochmal lese... Ist doch Quatsch. Aus seiner Sicht betrachtet: "Gerade nach zwei Krank-Tagen zuhause, immer mit Mama in der Nähe, auch wenn er sich wieder so richtig auf den Kindergarten freut, gibt es beim Abschied Tränen."

Ich muss da durch. Ich weiß. Oder vielmehr: Wir müssen da durch.
Aber den Blues haben, das darf ich dabei manchmal schon, oder? Und es hilft, ihn auf Papier zu bringen.

Donnerstag, 15. Oktober 2015

Nach dem Arbeiten kochen Oder: Grundregeln Fertigprodukte

Auf der Suche nach einem Rezept, irgendwo in den Tiefen des Internets, habe ich letzthin diesen englischen Spruch entdeckt: 'OK. I Lied. It Sucks to Cook after Work.'*

Und musste unwillkürlich grinsen. 
Nicht nur wer diesen Blog regelmäßig liest, auch  "Offline-Freunde" bekommen manchmal vielleicht den Eindruck, bei uns gibt es ausschließlich selbst gemacht / genial durchdacht / mit Liebe gekocht. Und sind dann ganz überrascht, dass ich auch aus eigener Erfahrung weiß, dass das neue "Rustipani" ganz lecker ist. 

Schön wärs, wenn wir jeden Tag die Zeit und Kraft hätten, jede Mahlzeit mit so viel Respekt und Aufwand zu begleiten, wie es die Rezepte hier oder unsere Essenseinladungen vielleicht vermuten lassen. Haben wir aber nicht.
Der kleine Mann geht jetzt in den Kindergarten und ich arbeite drei Tage die Woche bis zum frühen Nachmittag. Bis ich den kleinen Mann dann wieder eingesammelt habe, die Reste vom Frühstück weggeräumt, mit dem Junior übers Fernsehen/Süßigkeitenessen debattiert (und verloren) habe, die Spülmaschine eingeräumt und ... Halt, das ist jetzt genau die Detail-Jammerei, die fast alle Mütter kennen und die ich vermeiden wollte. Kommando zurück.

Kurz gesagt: Es gibt Tage, da ist Kochen der berühmte "Ausgleich" und die "Entspannung" (5 EURO ins Interview-Antworten-Phrasenschwein...). Aber es gibt andere, da hätte ich am liebsten, dass sich eine Klappe über mir auftut, und einfach nur "was zu Essen" rausfällt, ohne dass ich dafür mit jemanden reden, die Tür öffnen oder auch nur nachdenken musste.

Klar, wäre meine Wunschvorstellung, dass wir uns IMMER optimal ernähren, dass wir gesund und abwechslungsreich essen, dass wir Spaß dabei haben und dazu noch Zeit, immer wieder Neues auszuprobieren. Dass ich immer aus freien Stücken, ganz bewusst entscheiden könnte: "Ha, Ausnahme. Heute gibt es Tiefkühl-Pizza vor dem Fernseher." Statt "Oh Mann," *schulternhängenlass* "dann gibt es halt Pizza", weil ich heute einfach - nicht - mehr - schaffe. *gääähn*

Andererseits ist mir bewusst, dass das ganz schön viel gewollt ist wenn man eben nicht das 50er-Jahre Familie/Haushalt-Leben lebt. Also versuche ich mal, ganz achtsam, mehr Verständnis für mich selbst zu haben. Und es auch mal gut zu finden, was und wie viel ich schaffe.

Bevor ich allerdings in alte Fertigprodukte-Fallen tappe (ich hab ja auch schon ordentlich dagegen gewettert...), konzentrieren wir uns mal auf folgende Grundregeln zum Thema Fertigprodukte (im Folgenden "FP"), auf die der Koch und ich uns einigen können:
  • Nutze deinen Verstand - je kürzer die Zutatenliste eines FP, desto besser - Wenn ich dieses Produkt zuhause kochen/backen würde, welche Zutaten bräuchte ich? Hier sind aber noch viel mehr Zusatzstoffe drin, deren Namen ich nicht mal aussprechen kann? Finger weg!
  • Schnell schlecht ist gut - wenn ein FP im Supermarkt gekühlt wird und nur wenige Tage haltbar ist, spricht das dafür, dass wenig oder keine Konservierungsstoffe beigesetzt sind und deshalb auch nicht so viele Vitamine zerstört wurden wie in ungekühlten, haltbar gemachten Alternativen. 
  • Ungefähr wissen, was wofür gut ist - es gibt Fertig-Tomatensoße, da sind nur "normale" Zutaten drin plus Reisstärke - die sorgt für eine etwas dickere Soße, und damit kann ich leben. Auch wenn das bedeutet, dass möglichst viel billiges Wasser und möglichst wenig "teure" Tomaten drin sind.
  • Aus flüssig mach lieber nicht trocken - um eine Tüte mit trockenem Fix-Gericht inkl. Ei, Milch und Fleisch herzustellen, muss man in der Fabrik sehr viel arbeiten. Heißt, der Hersteller verwendet erst recht möglichst günstige Zutaten von geringer Qualität (ist ja später eh kaum mehr erkennbar), und hebt den Geschmack meist durch (billiges) Fett, Zucker und/oder Salz und ev. Glutamat/Hefeextrakt. Den Aufwand zahlt der Käufer natürlich trotzdem mit. Wenn ich einer Backmischung nur noch Wasser hinzufügen muss, ist vom Guten der ursprünglich enthaltenen Grundprodukte wie Milch, Butter und Eiern nicht mehr viel übrig.
  • Einmal hin, alles drin? - Jetzt mal ehrlich: ungekühlte Fertigmenüs, in denen Fleisch, Soße, Gemüse und Sättigungsbeilage enthalten sind, die ich mir gleichzeitig erwärme, sind nährstofftechnisch Mist. Und geschmacklich sowieso.
  • Die Reihenfolge ist kein Zufall - Zutaten werden in der Menge aufgelistet, in der sie im Produkt vorkommen. Man kann daraus die eigenen Schlüsse ziehen: Mango-Maracuja-Smoothie? Höchstens zu 20 %, der Rest ist Apfel. Möchte ich, dass der Junior "Babykekse" mit Zucker an zweiter Stelle isst? 
  • Viel Geld für Nichts - Ja, manche Fertig-Eis-Sorten haben eine erfreulich kurze Zutatenliste. Aber 510 g Eis in einer 1.000 ml-Packung? Normalerweise kann man bei Flüssigkeiten ml und g so ziemlich gleichsetzen. Ergo: fast die Hälfte ist Luft! Das macht nur die Industrie. Zuhause bekommt man ein cremiges Eis auch mit wesentlich weniger Luft (durch Rühren in der Eismaschine) hin. Und das besteht dazu noch wirklich aus Sahne und/oder Milch und nicht nur aus Wasser und billigem Pflanzenfett.
  • Nutze die systemischen Vorteile der Industrie - Dosentomaten werden vollreif geernet und dann konserviert - optimal für alle Gerichte mit lange gegarten Tomaten wie Soßen und Schmorgerichte. Genauso bei sog. "Monoprodukten" wie Tiefkühlgemüse (ohne Soße), -Obst (ohne Zucker) und -Kräutern: feldfrisch eingefroren halten sie lange und kommen frischer und vitaminreicher auf den Teller als nach langen Transportwegen in den Supermarkt. Das Gleiche gilt für Fisch, der seegefrostet ist - frischer geht nicht.
  • Nutze die Verfahren der Industrie - Getreide kann in der Fabrik sehr schonend vorgegart werden. Wenn es schnell gehen muss, sind im FP also ev. mehr Vitamine etc. erhalten, als im aufgewärmten Reis von vorgestern. Obst kann man im Backofen selbst trocknen - das frisst aber wesentlich mehr Energie als die Herstellung von Trockenfrüchten im großen industriellen Stil. (Allerdings setzt die Industrie häufig Schwefel bei, um die ansprechende Farbe zu erhalten.)
  • Die können das besser als ich - Manche Produkte bekommt man für einen attraktiven Preis im Supermarkt - und müsste sehr hohen Aufwand betreiben, um das Produkt in ähnlicher Qualität selbst herzustellen. Beste Beispiele: Strudelteig und Blätterteig.  
  • Ich weiß, was drin ist – Der Bäcker benutzt heute leider auch oft Backmischungen oder backt nur noch Teiglinge auf. Ich sehe aber auf der Bäckertüte nicht, was genau drin ist – auf abgepackten Backwaren aber schon. Für die, die eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, z.B. ein Problem mit Laktose haben, ein großer Vorteil.

Ansonsten machen wir jetzt abends wieder öfter Brot. Also essen. Sprachliche Ungenauigkeit. Könnte jetzt wieder dazu führen, dass man glaubt, wir backen nach der Arbeit noch Brot... 
Wobei: Schlimm, dass ich jetzt schon wieder überlege, wie ich das Thema Abendbrot aufpeppen könnte...


Quellen: Eine ganz nützliche Übersicht hat auch eine Ernährungswissenschaftlerin der Uni Münster für den Stern erstellt, Artikel Nach dem Arbeiten kochen  
* Nein, das bedeutet nichts Versautes. :-)

Freitag, 2. Oktober 2015

Blätterteigwaffeln Oder: Wie hältst du es mit den Fertigprodukten?

Im Grunde halte ich es (mittlerweile) mit Günter Grass und meiner Namensvetterin Lena Stubbe: "Zur Hölle mit den Fertiggerichten! Auch wenn sie Zeit sparen, frag ich euch: Zeit wofür und für wen?"

Aber. Den ganzen Sommer habe ich es kaum geschafft, Artikel fertig zu bekommen... Es war einfach zu viel los. Dreijähriger inklusive Kindergarten-Einstieg, Arbeit, vier liebe Freundinnen, die dieses Jahr heiraten... wer bis morgens um fünf feiert, vollbringt am nächsten Morgen einfach keine kulinarischen Höchstleistungen. Oder schreiberische.
In solchen Phasen plane ich nur noch von Tag zu Tag. Und erwische mich dabei, dass meine selbst gesteckten Ernährungsziele immer öfter untergehen. Der Einkaufszettel wird eher nach "Wie schnell geht das?" gestaltet, als nach "Kriterium: Abwechslung". Zum Glück gibt es was Ernährung betrifft, ob mit oder ohne Kind, ja die gute alte 80/20-Regel - gut fährt auch hier, wer der Ausnahme huldigt.

Für einen Berufskoch allerdings wird die Frage nach der Verwendung von Fertigprodukten zur Gretchenfrage. Höchst verpönt - ein "guter" Koch (was auch immer das ist), würde natürlich nie zugeben, dass er welche benutzt. 
Die Wahrheit ist: Fertigprodukte haben auch in Profi-Küchen vor langer Zeit Einzug gehalten. Allein schon deshalb, weil streng genommen auch Pasta und Tomatenmark dazu gehören. Wer behauptet, in seiner Küche gäbe es kein einziges, der lügt also ziemlich sicher.

Damit stellt sich heutzutage eher selten die Frage: Darf ich Fertigprodukte benutzen? Sondern: Wenn Fertigprodukte, welche sind denn zumindest okay?

Tja, das ist keine Frage mit einfacher Antwort. Ein bisschen ausgeholt: Was macht die (industrielle) Verarbeitung mit unserem Essen?

Unter Anderem gilt für Lebensmittel: je stärker sie verarbeitet sind, desto leichter verdaulich sind sie und damit für unseren Körper in Energie umzusetzen. (Zumindest wenn sie Kohlehydrate, Proteine oder Fette enthalten - und das tun eigentlich alle.)
Das war zu Hungerszeiten ein enormer Vorteil. Durch gekochtes Essen beschaffte sich der Mensch mehr Energie als durch dasselbe Lebensmittel in roher Form.
Doch genau da sind wir auch beim Grundproblem für heute. Denn wir leben nicht mehr in Hungerszeiten. Wir brauchen nicht noch mehr Energie. Dazu kommt, dass Fertigprodukte meist auch sehr weich und kleinteilig sind und/oder viel Luft enthalten. Das heißt, der Körper verbrennt auch weniger Energie, als wenn er ein rohes Gemüse mühsam zerkauen und verdauen muss.

Wenn also auf einer Packung Fertigpizza steht, dass ich 874 kcal (fast 1/3 meines Tagesbedarfs) zu mir nehme, stimmt das leider nicht ganz. Die einzelnen Zutaten sind ja bereits verarbeitet, der Körper kann sie deshalb besser umsetzen und zieht noch mehr Energie daraus, als die Zahl auf der Packung vermuten lässt. Die errechnet sich nämlich nur aus der Summe der einzelnen Grundzutaten. Wie viel mehr kommt allerdings auf viele individuelle Faktoren an, sodass es auch kaum möglich wäre, eine wirklich exakte Kalorienzahl anzugeben. Was die Kalorienangaben auf Packungen an sich eigentlich ziemlich überflüssig macht. 
Dass ich vom Kalorienzählen sowieso nicht viel halte, das können sich regelmäßige Leser ohnehin denken. Aber es ist ein weiteres Argument für die frische Zubereitung eines Gerichtes vs der sehr stark verarbeiteten Fabrikversion - jenseits der Diskussion um einzelne Komponenten wie Fett-, Zucker- oder Salzgehalt und Zusatzstoffen. Oder dem Aspekt der "toten" weil bakterienfreien Nahrung, über den ich mich ja auch schon ausgelassen habe.

Aber zum Glück: Gutes Essen, gute Ernährung und Convenience-Food schließen sich nicht ganz aus. Zumindest wenn man ein paar Grundregeln beachtet. (Die folgen dann bald in Teil 2 zum Thema.) Prinzipiell kann man sagen: Je stärker verarbeitet, desto schlechter.

Selbst Autor und Lebensmittelindustrie-Kritiker Michael Pollan ist nicht dafür, dass "sämtliche Fertigprodukte wieder aus unseren Einkaufswagen verschwinden" - "Manches ist ja ein wahrer Segen [...] - eine große Hilfe, wenn man mal nicht zum Einkaufen kommt. [...] das ist keine Frage des Alles oder Nichts."

Hört, hört.
Für mich zählt zu den positiven Seiten eindeutig ein Produkt wie Fertig-Blätterteig. Selbst gemacht eine Heiden-Arbeit. Teig machen. Halbe Stunde kalt stellen. Teig falten. Kühl stellen. Falten. Kühl stellen. Falten. Kühl stellen. Wer zum Teufel kommt auf die Idee, ein solches Rezept mit "schnell und einfach selber machen" zu betiteln??? Sorry, no can do.
Da passt es wie die Faust aufs Auge, dass im Waffel-Buch, das mir mein liebes Brüderchen zum Geburtstag geschenkt hat, ein Rezept für Waffeln mit Fertig-Blätterteig drin ist. Blätterteig? Im WAFFELEISEN?

Vorbereitung: 5 Minuten. Backen: 3 Minuten. 
Füllung: Unendliche Möglichkeiten. Geschmack: Ein Traum.
Entdeckung des Monats!


Blätterteigwaffeln mit Gruyère, Schinken und Frischkäse

Zutaten:

ergibt 6 Waffeln

2 Rollen Fertig-Blätterteig
2 Handvoll Gruyère oder anderer, kräftiger Käse
1-2 Scheiben Schinken oder Speckwürfel
2 EL Frischkäse natur oder mit Kräutern, Paprika o.ä.
Paprikapulver
etwas Bärlauch, Schnittlauch oder andere Kräuter


Das Waffeleisen vorheizen (relativ hohe Stufe) und ggf. einfetten. Gruyère grob reiben, Schinken in Stücke schneiden.
Blätterteig ausrollen und jeweils in 6 Stücke von ca. 14 x 14 cm schneiden. Teigstücke vorsichtig ungefähr in die Größe der Backfläche des Waffeleisens ziehen. Mit Gewürzen bestreuen.
Mit der gewürzten Seite nach oben auf die Fläche legen und mit Käse und Schinken füllen, mit zweitem Blätterteigstück (Gewürze nach unten) bedecken. Ca. 3 Minuten backen.

Wenn man zu viel Füllung nimmt, backt der Teig vorne nicht richtig. Dann kann man die Waffel aber auch nochmal drehen und zu Ende garen.


Quelle: Rezept frei nach Apéro-Waffeln: Christina Richon "einfach WAFFELN" - GU, Why most food labels are wrong about calories von Wissenschaftlern der Havard University, Verbraucherzentrale BaWü über Nachgemachte Lebensmittel, z.B. Speiseeis, Interview mit Michael Pollan im Magazin Flow - Ausgabe Nummer 10, Rezept "Blätterteig schnell und einfach selber machen" bei Herr Grün Kocht